Keynotes

Keynote I: (De-)Professionalisierung in Praxisphasen – Erwartungen, Potentiale und Grenzen
Dr. Joana Kahlau, Oberschule Rockwinkel, Lehrbeauftragte Universität Bremen
Montag, 29.09.25, 9:30-11:00
Mehr Praxis ist weiterhin der größte Wunsch bzw. zu wenig Praxis die schärfste Kritik Lehramtsstudierender an ihrem Studium (vgl. König & Rothland 2018, 6). Gleichzeitig bekommt die Frage nach Praxisanteilen durch den akuten Personalnotstand bildungspolitisch aktuell Aufwind. Doch welche konkreten Erwartungen und Hoffnungen sind an ein ‚Mehr an Praxis‘ geknüpft? Ob es die Vorstellung ist, durch Praxiserfahrungen besser auf das zukünftige schulische Handeln als Lehrkraft vorbereitet zu sein oder Praxis besser antizipieren zu können? Deutlich wird, dass stets von einem professionalisierungsförderlichen Charakter von Praxis ausgegangen wird. Was wäre aber, wenn dieser nicht per se gegeben ist und Praxiserfahrungen sogar deprofessionalisierend wirken können?
Ausgehend vom „Mythos Praktikum“ (Hascher 2011, 9), geht der Vortrag auf Studienergebnisse (vgl. Kahlau 2023) ein, die einen Zusammenhang zwischen der möglichen Professionalisierung in Praxisphasen und verschiedenen Studierendenhabitus verdeutlichen. Sie zeigen, dass es u.a. viel mehr um das Verhältnis von Theorie und Praxis als um ein simples ‚Mehr an Praxis‘ geht.
Dahinter steht aus erziehungswissenschaftlicher sowie lehrerbildnerischer Perspektive die Wertschätzung von beidem: von Praxis als Ort der Professionalisierung, an dem Studierende den Schulalltag mit seinem situativen Handlungsdruck und das eigene praktische Handeln erfahren und von der akademischen Ausbildungsphase als Ort der Professionalisierung, in der entlang von Theorien das Erlebte handlungsentlastet gespiegelt, reflektiert und so für die nächste Praxiserfahrung neu ausgerichtet werden kann. Der Vortrag argumentiert also für eine unbedingte Einbindung schulischer Praxis ins Studium einerseits und verteidigt andererseits die Akademisierung des Lehramts um schließlich für ein Dazwischen als Ort studentischer Professionalisierung zu plädieren. Daraus abgeleitet wird die Relationierung von Theorie und Praxis am Beispiel der universitären sowie schulischen Begleitung Studierender im Bremer Praxissemester (Gy/OS) diskutiert um schließlich Potentiale und Herausforderungen in der Begleitung aufzeigen zu können.
Literatur:
Hascher, Tina. (2011): Vom „Mythos Praktikum“. … und der Gefahr verpasster Lerngelegenheiten.In: Journal für Lehrerinnen- und Lehrerbildung, 2011, 8–16.
Kahlau, Joana (2023): (De-)Professionalisierung durch Schulpraxis. Rekonstruktionen zum Studierendenhabitus und zu studentischen Entwicklungsaufgaben (Dokumentarische Schulforschung). Bad Heilbrunn.
König, J. & Rothland, M. (2018): Das Praxissemester in der Lehrerbildung. Stand der Forschung und zentrale Ergebnisse des Projektes Learning to Practice. In: ebd. (Hrsg): Learning to Practice, Learning to Reflect? Das Praxissemester in der Lehrerbildung. Stand der Forschung und zentrale Ergebnisse des Projekts Learning to Practice. Wiesbaden: VS Verlag, 1-62.
Keynote II: Eine professionelle Unterrichtplanung, die zugleich schlank, flexibel und wirkungsvoll ist: Wie ist das möglich?
Prof. em. Urban Fraefel, Pädagogische Hochschule Nordwestschweiz
Dienstag, 30.09., 9:15-10:00 Uhr
Es ist eine der großen Paradoxien der Lehrer:innenbildung, dass die aufwendig eingeführten und theoriegestützten Planungsprozeduren in der späteren Praxis kaum je zur Anwendung kommen und damit ihr Ziel verfehlen, „Bindeglied zwischen den theoretischen und den praktischen Ausbildungsanteilen“ oder „Brücke zwischen Theorie und Praxis“ zu sein (vgl. Rothland, 2023). Die Lehrer:innenbildung müsste jedoch – so sollte man meinen – zum Aufbau praktikabler und erfolgversprechender Planungsstrategien beitragen, die sich einfach in den Berufsalltag integrieren lassen.
Es wäre überaus wichtig, dass angehende Lehrpersonen in eine zielgerichtete, professionelle und zugleich arbeitsökonomische Planung eingeführt werden, die den „Praxistest“ besteht, aber durchaus auch im Einklang mit dem theoretischen Wissen über Schule und Unterricht ist. Zentrale Bausteine sind: Klären, wohin die Reise geht; Lerngelegenheiten schaffen; Fortschritte der Schüler:innen bestmöglich unterstützen; Ressourcen der Lehrperson optimal einsetzen. Es besteht also Anlass, manche der traditionellen Planungsgewissheiten zu hinterfragen und zu prüfen, was für die Planung professionellen Unterrichts wirklich zentral ist.
Dieser Beitrag stellt einen pragmatischen Planungsansatz zur Diskussion, der sich um zwei Prinzipien gruppiert: Die Rückwärtsplanung und die Aufgabenfokussierung (Fraefel, 2023). Er dient als Werkzeug für professionellen Unterricht, der sich bei Bedarf auch theoretisches Wissen zunutze macht und der die zentrale Funktion der Planung – den Erfolg des Unterrichts und die Fortschritte der Schüler:innen bestmöglich zu unterstützen – stets im Auge behält.
Literatur:
Fraefel, U. (2023). Erfolgreichen Unterricht planen: pragmatisch, praktisch, professionell. utb.
Rothland, M. (2023). „Theorie“ und „Praxis“ in der Lehrer:innenbildung. Zeitschrift für Bildungsforschung, 13(1), 163–181. https://doi.org/10.1007/s35834-022-00373-3