Der kommunikationspsychologische Ansatz zur Analyse von Fotografien

In Anlehnung an das Kommunikationsmodell von Friedemann Schulz von Thun (2003) entwickelten Holzbrecher & Tell (2007, S.107 ff.) eine Methode zur Bildinterpretation (Link). Das Ziel dieses Ansatzes ist das Verstehen der Eigenlogik des ästhetischen Ausdrucks. Besonders von Interesse sind hier die fotografischen Eigenproduktionen von Jugendlichen. Fragen nach Identitätskonstruktion und Habitus der Fotograf*innen stehen im Vordergrund. Die Fotografierpraxis von Jugendlichen wird untersucht und ihre Fotografierabsichten und Themen durch die Bildanalyse herausgearbeitet. Dabei sind Selbstinszenierung als Ausdruck eines Lebensgefühls und jugendspezifische ästhetische Ausdrucksformen von Interesse.
Das Modell beinhaltet eine Trennung von Analyse und Interpretation (und damit von Denotation und Konnotation), um weitest gehende Offenheit für die Interpretation des Bildes zu ermöglichen.
Die Analyse von Fotografien erfolgt auf vier Ebenen, wobei die Sachebene am Anfang stehen sollte, um das argumentative Fundament für die Interpretationshypothesen zu bilden. Dabei kann sowohl die Produktion (der*die Fotografierende und seine*ihre Aussageabsicht) als auch die Rezeption (also der Anteil des*der Betrachter*in) analysiert werden.

1. Sachebene
2. Beziehungsebene
3. Appellebene
4. Selbstoffenbarungsebene

Die Sachebene beinhaltet eine Inventarisierung des Bildes, eine Formalanalyse sowie eine Beschreibung der verwendeten Gestaltungsmittel und der fototechnischen Merkmale. Die Beziehungsebene untersucht alle denkbaren Beziehungskonstellationen zwischen Bildautor*in, Inhalt und Betrachter*in. Die Appellebene fragt nach dem Aufforderungsgehalt des Bildes. Selbstoffenbarung meint die Aussage der fotografierenden Person über sich selbst, aber auch die Anteile des Betrachtenden die dieser*diese durch seine*ihre Interpretation preisgibt.

In eigenen Projekten des*der Autor*in werden durch eine teilnehmende Beobachtung zusätzliche Informationen zum Foto gesammelt, die die Interpretation erleichtern. Generell sind die Entstehungsgeschichte des Bildes, der Kontext sowie Informationen über den Verwendungszusammenhang des Fotos in diesem Konzept entscheidende Bestandteile der Überprüfung der generierten Hypothesen.

Literatur:

  • Holzbrecher, A. & Tell, S. (2006). Jugendfotos verstehen. Bildhermeneutik in der medienpädagogischen Arbeit. In W. Marotzki & H. Niesyto (Hrsg.), Bildinterpretation und Bildverstehen. Methodische Ansätze aus sozialwissenschaftlicher, kunst- und medienpädagogischer Perspektive. Wiesbaden: SV Verlag.
  • Schultz von Thun, F. (2003). Miteinander reden 1: Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der zwischenmenschlichen Kommunikation. Reinbek bei Hamurg: Rowohlt.

Artikel verfasst von Sandra Tell (2007)

Zitation:

Tell, Sandra (2007). Bildhermeneutik in der Erziehungswissenschaft. QUASUS. Qualitatives Methodenportal zur Qualitativen Sozial-, Unterrichts- und Schulforschung. URL https://www.ph-freiburg.de/quasus/was-muss-ich-wissen/daten-auswerten/auswertung-visueller-daten/der-kommunikationspsychologische-ansatz-zur-analyse-von-fotografien.html