Die drei Analysetechniken: Zusammenfassung, Explikation und Strukturierung

Mayring liefert folgende Definitionen und Handreichungen für die praktische Durchführung:

Zusammenfassung:
„Ziel der Analyse ist es, das Material so zu reduzieren, dass die wesentlichen Inhalte erhalten bleiben, durch Abstraktion einen überschaubaren Corpus zu schaffen, der immer noch Abbild des Grundmaterials ist.“ (Mayring, 2003, S. 58)
In mehreren Arbeitsschritten wird versucht, das vorliegende Material zu paraphrasieren, systematisch zu kürzen und auf wesentliche Sinngehalte zu reduzieren. Auf diese Weise entsteht ein Kategorienraster, das eine thematische Gliederung enthält. Durch die Gliederung können Materialeinheiten sortiert und unter Kategorien rationell zusammengefasst werden. Zur Analysetechnik der Zusammenfassung bietet Mayring wiederum ein grobes Ablaufmodell mit folgender Schrittabfolge an (vgl. Mayring, 2003, S. 62):

ZI: Paraphrasierung

Z2: Generalisierung auf das Abstraktionsniveau

Z3: Erste Reduktion

Z4: Zweite Reduktion

In diesem Ablaufmodell sieht Schritt Z1 die zusammenfassende Kurz- und Umformulierung der Kodiereinheiten vor. Wesentlich sind die Auskürzung von Ausschmückungen sowie die Umformulierung in eine grammatische Kurzform auf möglichst vereinheitlichtem Sprachniveau. In Schritt Z2 wird ein Abstraktionsniveau definiert. Anhand dieses festgelegten Abstraktionsniveaus wird überprüft, welche paraphrasierten Materialeinheiten unter dem Abstraktionsniveau liegen, um genau diese anschließend allgemeiner zu fassen – also das Abstraktionsniveau der betrachteten Materialeinheit anzuheben. Materialeinheiten, die in paraphrasierter Form über dem definierten Abstraktionsniveau liegen, verbleiben zunächst unbearbeitet. Im Schritt Z3 werden Paraphrasen mit gleicher Bedeutung ausgestrichen und nur diejenigen Paraphrasen weiterverwendet, die von zentraler Bedeutung für das Material sind. Schließlich werden in Schritt Z4 Paraphrasen mit ähnlichem Inhalt gebündelt und gegebenenfalls mit einer neuen Formulierung aktualisiert.

Explikation:
„Ziel der Analyse ist es, zu einzelnen fraglichen Textteilen (Begriffen, Sätzen, …) zusätzliches Material heranzutragen, das das Verständnis erweitert, das die Textstelle erläutert, erklärt, ausdeutet.“ (Mayring, 2003, S. 58)
Damit dient diese Analysetechnik hauptsächlich der Erklärung jener Materialteile, die für den Forschenden nicht unmittelbar verständlich sind, beispielsweise mehrdeutige Interviewpassagen oder im allgemeinen Sprachgebrauch unübliche Ausdrucksweisen. Darüber hinaus muss die Technik jedoch weiter differenziert werden: Je nach Herkunft der Erläuterungswerkzeuge wird zwischen einer engen und einer weiten Explikation unterschieden. Die enge Explikation bezieht ihre Erläuterungen zu fraglichen Textstellen aus dem Urtext, wohingegen die weite Explikation auch Informationen über den Sprecher bzw. Verfasser, über die Erhebungssituation oder andere, verständniserweiternde Informationsquellen heranzieht. Das Ablaufmodell für die explizierende Analysetechnik baut Mayring folgendermaßen auf (vgl. Mayring, 2003, S. 80):

E1: Lexikalisch-grammatikalische Definition

E2: Bestimmung des Explikationsmaterials

E3: Enge Kontextanalyse

E4: Weite Kontextanalyse

E5: Explizierende Paraphrase

E6: Überprüfung der Explikation

Der erste Arbeitsschritt E1 beinhaltet die Untersuchung, welchen sprachlichen und soziokulturellen Bedingungen der*die Sprecher*in oder Autor*in entstammt. Dementsprechend werden anschließend sprachliche Nachschlagewerke auf Bedeutungs- und Grammatikerklärungen hin durchsucht – unter Umständen kann bereits so eine erste Klärung erreicht werden, welche jedoch für den eigentlichen Explikationsvorgang noch nicht hinreichend ist. Gegenstand von Schritt E2 ist die Bestimmung des Materialumfanges, der für den eigentlichen Explikationsvorgang herangezogen werden soll – aus dieser Entscheidung ergeben sich wiederum die Schritte E3 und E4: Die enge Kontextanalyse benutzt zur Explikation lediglich das unmittelbare Textumfeld der zu erklärenden Textstelle. Gesucht wird dabei nach Textteilen, die zur fraglichen Textstelle in „definierend[er], erklärend[er], ausschmückend[er], beschreibend[er], beispielgebend[er], Einzelheiten aufführend[er], korrigierend[er], modifizierend[er], antithetisch[er], das Gegenteil beschreibend[er]“ (Mayring, 2003, S. 79) Beziehung stehen. Im Gegensatz dazu bleibt die weite Kontextanalyse nicht auf den Urtext als Explikationsquelle beschränkt, sondern kann, wie bereits angeführt, auch auf weiterreichende Informationen zum Urheber des Textes, zum angesprochenen Rezipienten*in, zu Motivations- und Erhebungsbedingungen zurückgreifen. Im Arbeitsschritt E5 wird das zusammengetragene Explikationsmaterial zu einer Paraphrase integriert, die daraufhin im Rahmen von E6 anstelle der fraglichen Textpassage in den Urtext eingefügt wird. Abschließend muss überprüft werden, ob die eingefügte Explikation das Verständnis ausreichend und adäquat absichern kann oder ob ein neuer Explikationsdurchlauf gestartet werden muss.

Strukturierung:
„Ziel der Analyse ist es, bestimmte Aspekte aus dem Material herauszufiltern, unter vorher festegelegten Ordnungskriterien einen Querschnitt durch das Material zu legen oder das Material aufgrund bestimmter Kriterien einzuschätzen.“ (Mayring, 2003, S. 58)
Das zentrale Moment dieser inhaltsanalytischen Technik ist es, jeden Materialteil in einem Raster von vorab definierten Kategorien einzuordnen – und damit das komplette Material lückenlos seiner Struktur nach zu erfassen. Damit die Zuordnung eines jeden Materialpartikels trennscharf und im Sinne der Forschungsabsicht objektiv machbar wird, schlägt Mayring für die strukturierende Inhaltsanalyse das folgende Grobraster als Verfahrensweise vor (Mayring, 2003, S. 83):

1. „Definition der Kategorien: Es wird genau definiert, welche Textbestandteile unter eine Kategorie fallen.“
2. „Ankerbeispiele: Es werden konkrete Textstellen angeführt, die unter eine Kategorie fallen und als Beispiele für diese Kategorie gelten sollen.“
3. „Kodierregeln: Es werden dort, wo Abgrenzungsprobleme zwischen Kategorien bestehen, Regeln formuliert, um eine eindeutige Zuordnung zu ermöglichen.“

Gerafft und allgemein kann das praktische Vorgehen bei einer strukturierenden Inhaltsanalyse so beschrieben werden: In einem ersten Materialdurchlauf muss überprüft werden, inwiefern die vorab formulierten Kategoriendefinitionen, Ankerbeispiele und Kodierregeln bei der Anwendung auf das Material greifen können. Dazu werden diejenigen Materialstellen, die sich in eine Kategorie einordnen lassen, zunächst nur markiert. Im Anschluss wird das Material aus diesen Fundstellen extrahiert. Spätestens nach diesem ersten probeweisen Materialdurchgang wird klar, an welchen Stellen das Kategoriensystem modifiziert und adaptiert werden muss, um eine adäquate Materialstrukturierung herausarbeiten zu können. Nach einer solchen Anpassung der Kategoriendefinitionen beginnt der Hauptdurchgang durch das Material – auch hier sieht Mayring wiederum zunächst die bloße Kennzeichnung der Fundstellen vor, gefolgt von der eigentlich Materialextraktion und –bearbeitung je nach zugewiesener Kategorie.

Mayring unterscheidet bei der Analysetechnik der Strukturierung:

1. Formale Strukturierung: Die zu erarbeitende Struktur wird ausgerichtet an den sprachlichen Merkmalen des Materials („syntaktisches Kriterium“), an der inhaltlichen Zusammensetzung bzw. am Materialaufbau („thematisches Kriterium“), an der Wirkung des Materialzusammenhangs („semantisches Kriterium“) oder an einem etwaigen Gesprächsverlauf („dialogisches Kriterium“) (vgl. Mayring, 2003, S. 85 ff.).

2. Inhaltliche Strukturierung: Die zu erarbeitende Struktur wird ausgerichtet an „Themen, Inhalte[n], Aspekte[n]“ (Mayring, 2003, S. 89) des Gesamtmaterials.

3. Typisierende Strukturierung: Die zu erarbeitende Struktur wird ausgerichtet an Suche und Beschreibung von herausstechenden Materialmerkmalen, also Merkmalen, die „extreme Ausprägungen“ annehmen, von „besonderem theoretischen Interesse sind“ oder „häufig vorkommen“ (Mayring, 2003, S. 90).

4. Skalierende Strukturierung: Die zu erarbeitende Struktur wird ausgerichtet an der elementweisen Einordnung auf eine Skala in „mindestens ordinalskalierender Form (z.B. viel – mittel – wenig)“ (Mayring, 2003, S. 92).


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