Variabilität verstehen lernen

Das Potenzial des Boxplots beim Aufbau konzeptuellen Wissens in der Mittelstufe

Ziel des Teilprojekts ist die Untersuchung der Frage, wie Schülerinnen und Schüler bereits in der Mittelstufe beim Aufbau eines frühen Grundvorstellungen zu Variabilität unterstützt werden können. Besonderes Interesse gilt dabei der Frage, wie der Boxplot als an Vorwissen anschlussfähige Repräsentation informelle Vorstellungen ordnet und den Aufbau konzeptuellen Wissens zu Variabilität ermöglicht. 

Förderung

  • Gefördert durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg
  • Projektnummer: Teilprojekt im Rahmen des Promotionskollegs Di.ge.LL: “Digital gestützte Lehr-Lernsettings zur kognitiven Aktivierung” (MWK31-763-15/1/15)
  • Förderzeitraum: 01.08.2024 bis 31.07.2027

Projektbeschreibung

Der kompetente Umgang mit Daten und die Fähigkeit, datengestützte Entscheidungen zu treffen, gehören zu den Schlüsselkompetenzen des 21. Jahrhunderts und stellen ein zentrales Lernziel des Mathematik- und Statistikunterrichts dar (OECD, 2023). Schülerinnen und Schüler erwerben bereits früh Wissen über Maße der zentralen Tendenz, etwa den arithmetischen Mittelwert. Tragfähige Grundvorstellungen zur Variabilität werden dagegen in der Mittelstufe häufig nicht hinreichend entwickelt (Reading & Shaughnessy, 2004). Der Boxplot bietet hierfür ein geeignetes Lernmedium (Abt, 2025). Gerade im Unterricht der Mittelstufe kommt ihm eine besondere Bedeutung zu: Er integriert zentrale deskriptive Parameter wie den Median sowie Variabilitätsmaße wie Spannweite und Interquartilsabstand in einer gemeinsamen Darstellungsform. Zugleich stellt er damit jedoch einen komplexen und anspruchsvollen Lerngegenstand dar (Bakker et al., 2004; Edwards et al., 2017). Insbesondere bei der Interpretation der Boxfläche zeigen Lernende regelmäßig einen systematischen Fehler, wenn sie von einem proportionalen Zusammenhang zwischen Fläche und repräsentiertem Stichprobenanteil ausgehen (Flächen-Bias), wie sie ihn aus vielen bereits bekannten statistischen Repräsentationen, etwa Balken- oder Kreisdiagrammen, kennen (Lem et al., 2013). Traditioneller Unterricht und Schulbücher fokussieren häufig vor allem auf prozedurales Wissen – beispielsweise auf das Erstellen eines Boxplots – und weniger auf den Erwerb konzeptuellen Wissens und den notwendigen Vorstellungsumbruch (Vosniadou & Skopeliti, 2013)hinsichtlich der Bedeutung der Boxfläche.

In der ersten Projektphase zeigten querschnittliche Untersuchungen, dass systematische Fehler bei der Interpretation von Boxplots nicht zufällig oder gleichmäßig über Personen und Aufgaben verteilt auftreten. Vielmehr konnten aufgabenspezifische Merkmale identifiziert werden, die dazu führen, dass ein Teil der Lernenden den Fehler zeigt, während andere Aufgaben korrekt lösen. Diese Befunde legen nahe, dass es sich bei den systematischen Fehlern nicht um zufällige Heuristiken, sondern um wissensbasierte Phänomene handelt (Abt, Leuders, Loibl, Strohmaier, et al., 2024; Abt et al., 2025). Zudem wurde eine digitale Lernumgebung (CoDiL) entwickelt und in längsschnittlichen Studien untersucht, wie Lernende Variabilität im Kontext des Boxplots erkunden und welche kognitiven Aktivitäten mit erfolgreichem konzeptuellem Lernen verbunden sind und Vorstellungsumbrüche anregen. Dabei ergaben sich Hinweise darauf, dass der Rückgang systematischer Fehler bzw. der Zuwachs konzeptuellen Wissens durch variabilitätsfokussierte kognitive Aktivitäten vermittelt wird. Diese Aktivitäten treten insbesondere dann auf, wenn Lernkontexte so gestaltet sind, dass Variabilität ein problemlöserelevantes Merkmal darstellt und damit gezielt in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt (Abt, Leuders, Loibl, & Reinhold, 2024). In der zweiten Projektphase wird diese Lernumgebung nun um eine instruktionale Komponente im Sinne eines komponierten instruktionalen Designs (CID) erweitert, bei dem eine Phase direkter Instruktion gezielt an die explorative Lernphase anschließt. Dazu werden längsschnittliche Interventionsstudien durchgeführt, in denen inhaltlich-fachdidaktische sowie mediale und digitale Gestaltungsvariationen systematisch variiert werden. Untersucht wird unter anderem, welchen Einfluss adaptives Feedback und dynamische Refutationselemente auf den Lernzuwachs haben. Ziel ist die Entwicklung einer empirisch validierten, digital gestützten Lernumgebung, die Lehrkräften im Statistikunterricht der Mittelstufe ein evidenzbasiertes Werkzeug zur Förderung konzeptuellen Verständnisses von Variabilität und zur Reduktion typischer Fehlvorstellungen beim Arbeiten mit dem Boxplot bietet.

Ausgewählte Projektbezogene Veröffentlichungen

Abt, M., Leuders, T., Loibl, K., & Reinhold, F. (2024). Developing initial notions of variability when learning about box plots. Mathematical Thinking and Learning, 1–24. https://doi.org/10.1080/10986065.2024.2421412

Abt, M., Leuders, T., Loibl, K., Strohmaier, A. R., Van Dooren, W., & Reinhold, F. (2024). How can eye-tracking data be used to understand cognitive processes when comparing data sets with box plots? Frontiers in Education, 9, 1425663. https://doi.org/10.3389/feduc.2024.1425663

Abt, M., Loibl, K., Leuders, T., Van Dooren, W., & Reinhold, F. (2025). Understanding student errors in comparing data sets with boxplots. Educational Studies in Mathematics. https://doi.org/10.1007/s10649-025-10387-z

Abt, M. (2025). Das Potenzial der Boxplotrepräsentation beim Aufbau früher Grundvorstellungen zu Variabilität im Statistikunterricht: Empirische Studien zum Erwerb konzeptuellen Wissens in digital-gestützten Lehr-Lern-Settings. https://doi.org/10.60530/OPUS-3484

Projektbeteiligte

Akademischer Mitarbeiter

Dr. Martin Abt

Adresse/Raum
KG4, 223
 
E-Mail martin.abt(at)ph-freiburg.de
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Prorektor für Forschung und Nachwuchsförderung

Prof. Dr. Timo Leuders

Adresse/Raum
KG 4, 305
 
Telefon +49 761 682-347
E-Mail leuders(at)ph-freiburg.de
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Professur für Interdisziplinäre Lehr-Lernforschung

Prof. Dr. Katharina Loibl

Adresse/Raum
KA 204
 
Telefon +49 761 682-392
E-Mail katharina.loibl(at)ph-freiburg.de
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Institutsleitung Mathematik | Direktorium CIRDE

Prof. Dr. Frank Reinhold

Adresse/Raum
KG 4, Raum 312
 
Telefon +49 761 682-371
E-Mail frank.reinhold(at)ph-freiburg.de
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