Die Stadt als Erziehungsagentur. Restrukturierung von Stadtentwicklung im Spannungsfeld edukativer Implikationen
Die Stadt als Erziehungsagentur. Restrukturierung von Stadtentwicklung im Spannungsfeld edukativer Implikationen
Projektleitung:Prof. Dr. Verena Schreiber - Projektbearbeitung: Antonia Appel - Projektnachweis DFG-GEPRIS - Status: laufend (DFG, 2019)
Das Projekt setzt an der Beobachtung an, dass in den Städten zunehmend pädagogische Maßnahmen zur Bewältigung städtischer Problemlagen eingesetzt werden. Der Einsatz dieser pädagogischen Steuerungsmaßnahmen wird im Hinblick auf die Fragen untersucht, inwiefern sich hier ein Wandel im Umgang mit städtischen Herausforderungen beobachten lässt, inwieweit dieser Wandel einen stärkeren Einfluss der Bildungspolitik auf die Stadtentwicklung erkennen lässt und auf welche Weise Bürger*innen angesprochen werden, zu einem gelingenden Stadtleben beizutragen.
Im Rahmen des Projekts sollen aktuelle stadtpolitische Programme und Strategien im Spannungsfeld edukativer Implikationen untersucht werden. Waren Städte bis vor wenigen Jahren im Bereich der Bildungsversorgung auf ihre Zuständigkeit als Schulträger beschränkt, nehmen sie in jüngster Zeit zunehmend inhaltlichen Einfluss auf das Bildungssystem. Als entscheidender Marker dieses Paradigmenwechsels wurde bislang vor allem die Veränderung von Governance-Strukturen im Sinne eines kommunalen Bildungsmanagements betrachtet. Hierbei sind insbesondere neue lokale Partnerschaften zwischen formellen und informellen Erziehungsprofessionen sowie Bildungsmonitorings in den Fokus wissenschaftlicher Aufmerksamkeit gerückt. Der bildungspolitische Einfluss auf aktuelle Stadtentwicklungsprozesse ist damit allerdings nur ansatzweise erfasst. Zentrale These des beantragten Projekts ist, dass sich der Umbau der Stadt zu einer Erziehungsagentur wesentlich grundsätzlicher vollzieht. Das Projekt setzt an der Beobachtung an, dass im Rahmen städtischer Programme immer häufiger edukative Techniken der Steuerung zum Einsatz kommen, um erwünschte Verhaltensweisen der Stadtbevölkerung herbeizuführen. Dabei prägt sich insbesondere die Einübung von Verantwortungsübernahme mittels Anreiz- und Kontrollsystemen als zentrale pädagogische Technik durch. Unter Rückgriff auf das Analysekonzept der Gouvernementalität vertritt das Projekt die Annahme, dass sich gegenwärtig nicht nur die Ziele institutionalisierter Bildung an staatlichen Interessen ausrichten. Vielmehr werden weite Teile des städtischen Alltagshandelns auch abseits der klassischen Bildungsräume zunehmend zugunsten erzieherischer Zweckdienlichkeiten umgestaltet - und somit ein Wandel im Umgang mit städtischen Problemlagen etabliert. Das Projekt nimmt erstmalig eine systematische und integrierende Betrachtung von aktuellen stadtpolitischen Dynamiken, übergeordneten bildungspolitischen Diskursen und gegenwärtigem Regierungshandeln vor. Empirisch erschließt sich das Forschungsvorhaben die Thematik von zwei Seiten:
(1) In einem diskursanalytischen Zugriff wird erstens anhand von Analysen einschlägiger Rahmen- und Strategiepapiere der Einfluss bildungspolitischer Impulse auf Stadtpolitik in den letzten beiden Jahrzehnten rekonstruiert.
(2) Zweitens werden in einer lokal angelegten Feldstudie Stadtentwicklungsprozesse im Hinblick auf die Implementierung edukativer Strategien, Maßnahmen und Architekturen untersucht.
Das Projekt leistet damit einen wichtigen Beitrag zu einer Bildungsgeographie, die nach den räumlichen Bedingungen gegenwärtigen Regierungshandelns fragt.
Publikationen:
Appel, Antonia und Verena Schreiber (2024): Angesprochen und doch ungefragt: zur Rolle von Kindern in der nachhaltigen Stadtentwicklung. In: sub\urban. Zeitschrift für Kritische Stadtforschung 12 (2/3).