Sprache im Physikunterricht: Professionelle Wahrnehmung sprachlicher und fachlicher Kompetenzen im Physikunterricht
Jun.-Prof. Dr. Martin Schwichow & Jun.-Prof. Dr. Nadja Wulff
Schülerinnen und Schüler entwickeln auch außerhalb des Fachunterrichts Vorstellungen zu naturwissenschaftlichen Phänomenen. Solche so genannten Schülervorstellungen stehen häufig in Konflikt mit wissenschaftlichen Konzepten und Erklärungen. Neben eigenen Erfahrungen und Beobachtungen ist die Alltagssprache ein wichtiger Faktor bei der Entstehung von Schülervorstellungen. So werden manche Begriffe, die den Lernenden im Physikunterricht begegnen, wie Kraft oder Energie, auch in der Alltagssprache benutzt. Im Gegensatz zur Alltagssprache sind sie in der Fachsprache der Physik eindeutig und präzise definiert und an ein fachliches Konzept gebunden. Schülerinnen und Schüler übertragen im Alltag bewährte Konstrukte wie z.B. Energieverbrauch auf fachsprachliche Kontexte, wo diese jedoch problematisch bzw. falsch sind. Einerseits kann dies zu Lernschwierigkeiten und Bildung falscher fachlicher Konzepte im Physikunterricht führen. Andererseits können die an die Alltagssprache gebundenen Schülervorstellungen auch als Ausgangspunkt für den Aufbau fachlicher Konzepte genutzt werden. So geht die „Umdeutungsstrategie“ davon aus, dass Lernende Vorstellungen haben, die aus physikalischer Sicht weitgehend richtig sind, die jedoch mit falschen Begriffen beschrieben und in falschen Kontexten angewendet werden. Die Entwicklung fachlicher Konzepte und fachsprachlicher Fähigkeiten ist daher im Physikunterricht eng verknüpft. Damit Lehrkräfte fachbezogene Sprachkompetenzen und fachlich-konzeptuelles Verständnis im Physikunterricht gleichermaßen und aufeinander abgestimmt fördern können, müssen sie die sprachlichen Fähigkeiten sowie die vorherrschenden Schülervorstellungen ihrer Lernenden kennen. Entsprechend ist die Professionelle Unterrichtswahrnehmung (PU) von fachbezogenen Sprachkompetenzen und fachlich-konzeptuellem Verständnis ein wichtiger Baustein der professionellen Handlungskompetenzen von Physiklehrkräften und sollte bereits im Lehramtsstudium gefördert werden.
Ziel des Projekts ist die Entwicklung und Evaluation einer Lehreinheit zur Förderung der PU von Lehramtsstudierenden bezüglich fachbezogener Sprachkompetenzen und fachlich-konzeptuellem Verständnis im Physikunterricht. Die Lerneinheit wird entsprechend bisheriger Forschungsbefunde so konzipiert, dass die Studierenden in Video-Vignetten dargestellte Unterrichtsszenen in Kleingruppen analysieren. Dabei werden ihnen Kriterienraster, die unterschiedliche Ausprägungen der fachbezogenen Sprachkompetenzen und typische Schülervorstellungen beschreiben, als Hilfestellung gereicht. Die Wirkung der Intervention auf die PU wird durch eine Prä-Posttestung sowie einen Vergleich mit einer Kontrollgruppe überprüft. Durch die Prä-Posttestung soll der individuelle Lernzuwachs sowohl quantitativ (Anzahl der wahrgenommenen Schülervorstellungen und sprachlichen Herausforderungen) als auch qualitativ (Beschreibung der Veränderung der Unterrichtswahrnehmung) beschrieben werden.