Hybride Vortragsreihe „Perspektiven der Fachdidaktik DaZ in Baden-Württemberg“

Das Netzwerk „Deutsch als Zweitsprache und Mehrsprachigkeit der lehrkräftebildenden Hochschulen und Universitäten in Baden-Württemberg“ lädt ein zur Vortragsreihe „Perspektiven der Fachdidaktik DaZ in Baden-Württemberg“ im Sommersemester 2025.

Programm:

Im Beitrag wird dargelegt, wie aktuelle Erkenntnisse aus der (Zweit-)Spracherwerbsforschung im Unterricht genutzt werden können. Im Fokus steht die Frage, wie sprachliche Lehr-Lern-Prozesse so gestaltet werden können, dass sie allen Lernenden – unabhängig von ihren sprachlichen Voraussetzungen – adäquate Zugänge zu sprachlichem Lernen eröffnen. 

Anhand einer synoptischen Darstellung aktueller Forschungsbefunde zum kindlichen (Zweit)Spracherwerb werden im Vortrag zunächst Implikationen für die didaktische Modellierung sprachlicher Unterrichtsgegenstände abgeleitet und in Form von Prinzipien für ein spracherwerbssensibles Vorgehen im Unterricht gebündelt. Spracherwerbssensibel meint dabei, dass Erkenntnisse zum (Zweit-)Spracherwerb in didaktische Überlegungen integriert, die unterschiedlichen sprachlichen Ausgangsbedingungen aller Lernenden adäquat berücksichtigt und die Bedarfe und Potentiale mehrsprachiger Lernender gezielt in didaktische Entscheidungen einbezogen werden (Geyer & Müller, 2024). 

Die Prinzipien werden im Vortrag anhand von eigenen aktuellen Studienergebnissen zum kindlichen Kasuserwerb in der Zweitsprache Deutsch veranschaulicht. Davon ausgehend wird gezeigt, wie eine theoriegeleitete und systematische Integration dieser Forschungsbefunde in die Gestaltung sprachdidaktischer Lehr-Lern-Prozesse erfolgen kann. Der Fokus liegt auf der praktischen Umsetzung von Aktivitäten zur Sprachförderung (Voet Cornelli et al., 2023) und Sprachbetrachtung (Geyer & Müller, 2024).

Literatur: 

Geyer, S. & Müller, A. (2024). On the use of (second) language acquisition research for grammar education – a language acquisition-sensitive approach. In K. Zaychenko & H. Härtl (Hrsg.), Depicting Grammatical Categories in Theoretical Linguistics and Language Education. Reihe: Trends in Applied Linguistics. Berlin: DeGruyter. 

Voet Cornelli, B., Geyer, S., Müller, A., Lemmer, R. & Schulz, P. (2023). Vom Sprachprofi zum Sprachförderprofi. Linguistisch fundierte Sprachförderung in Kita und Grundschule. Weinheim: Beltz.

Das Thema „Digitalisierung“ ist auch für den Bereich Deutsch als Zweitsprache relevant, das zeigt z. B. die zunehmende Anzahl von Sprachlernprogrammen und Sprachförder-Apps.

Wie sieht es in diesem Kontext mit digitalen Sprachtestungen aus? Welche Auswirkungen digitale Verfahren auf die Testgütekriterien haben und welche Chancen und Herausforderungen sie bergen, wird in diesem Vortrag mit praktischen Beispielen diskutiert.

Anhand der Erfahrungen, die bei der Entwicklung der neuen App zur Sprachstandsermittlung von Deutsch für den Schulstart gesammelt wurden, sollen verschiedene Vorteile und Herausforderungen der digitalen Testentwicklung vorgestellt werden. Hierbei steht die Verknüpfung von theoretischen und anwendungsbezogenen Aspekten im Vordergrund .
 

Literatur: 

Settinieri, J. & Jeuk, S. (2019). Einführung in die Sprachdiagnostik. In S. Jeuk & J. Settinieri (Hrsg.), Sprachdiagnostik Deutsch als Zweitsprache – Ein Handbuch (S. 3-20). 
 

In multilingualen Klassenzimmern ist sprachsensibler Unterricht ein Schlüssel zur erfolgreichen Integration. Das Projekt ACTIN (ACT and connect for INtegration) vereint europäische Universitäten und NGOs mit dem Ziel, die sprachlichen und kulturellen Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu fördern. ACTIN fördert zudem den intensiven Austausch zwischen Forschenden und Lehrkräften, zwischen verschiedenen Schulen und Schultypen sowie zwischen den fünf Partnerländern des Projekts – Griechenland, Frankreich, Deutschland, Irland und Polen. 

In enger Zusammenarbeit mit Lehrkräften entwickelt das Projekt didaktische Protokolle zur Verbesserung des Wortschatz- und Grammatikerwerbs – von Wortschatzkarten und Pantomime bis zu Dictogloss und Laufdiktat. Diese Protokolle werden nicht nur im Sprach-, sondern auch im Fachunterricht eingesetzt, wobei die Kontextindikatoren (verschiedene Strategien zur Nutzung kontextueller Hinweise) und sprachverarbeitungsbasierte Instruktionen besonders hilfreich sind. Ein zentraler didaktischer Ansatz ist das pädagogische Translanguaging, das alle Sprachen der Lernenden aktiv in den Unterricht einbindet, z.B. durch Übersetzungen oder Vergleiche von Sprachformen und Sprachstrukturen. Die Protokolle sind flexibel anpassbar, decken die Sprachniveaus A1 bis B2 sowie Altersgruppen von 6 bis 18 Jahren ab und ermöglichen eine differenzierte Förderung. 

Begleitende Workshops unterstützen Lehrkräfte bei Entwicklung und Umsetzung der Protokolle. Sie vermitteln theoretische und praktische Grundlagen des sprachsensiblen Unterrichts, fördern Materialentwicklung nach individuellen Bedürfnissen und ermöglichen methodischen Austausch nach der Umsetzung in realen Unterrichtssituationen. Die Evaluation durch Pre- und Posttests wird zudem wertvolle Erkenntnisse über die Wirksamkeit der Ansätze liefern. Der Vortrag stellt zentrale Techniken der Protokolle und die Evaluationstools, mit denen ihre Wirksamkeit gemessen wird, vor.

Sprache ist ein wesentlicher Bestandteil beruflicher Handlungskompetenz. Insbesondere in kommunikationsstarken Berufsfeldern wie der medizinischen Pflege sind sprachliche und fachliche Kompetenzen untrennbar miteinander verbunden (vgl. z. B. Funk & Kuhn, 2021: 54). Da in Deutschland alle Berufe im Gesundheitswesen Zugangsbeschränkungen unterworfen sind, muss jeder, der hierzulande als „Pflegefachfrau/-fachmann“ arbeiten möchte, zunächst seinen im Ausland erworbenen Berufsabschluss anerkennen lassen. Hierfür sind (in den meisten Bundesländern – so auch in Baden-Württemberg) Deutschkenntnisse auf GeR-B2-Sprachniveau nachzuweisen. Diese geforderte Sprachkompetenz erweist sich für viele ausländische Mitarbeitende als eine große Hürde für ihre berufliche Integration. Besonders eindrucksvoll lässt sich dies vor dem Hintergrund der Tatsache sehen, dass Sprachdefizite oft mit einer „verminderte[n] Leistungsfähigkeit bzw. eingeschränkte[n] berufliche[n] Eignung“ (Pütz et al. 2019: 49) gleichgesetzt werden bzw. dass einige aufgrund der nichtbestandenen Anerkennungsprüfung lediglich als Pflegehilfskräfte eingesetzt werden (Bonin et al. 2015: 31) statt ihren fachlichen Qualifikationen entsprechend. 

Wenn sich trotz nachgewiesenen Sprachniveaus der Einstieg in den Beruf für viele so schwierig gestaltet, stellt sich die Frage, wie sich diese Diskrepanz zwischen der erreichten Niveaustufe und der tatsächlichen sprachlich-kommunikativen Handlungsfähigkeit erklären lässt. Dieser Frage geht das Forschungsprojekt "Deutsch für den beruflichen (Pflege-)Alltag" nach. Zwischen 2022-2023 wurden hierfür Pflege- Praxisanleitungssituationen begleitet und Audiomaterial aufgezeichnet. Aus diesen Aufnahmen wurde ein inhaltlich-semantisch annotiertes Korpus erstellt, das als Grundlage für die sprachliche Analyse (Wortarten, Wortschatz, hier auch Anteile von Fach-, Umgangs- und Alltagssprache) dient. Ziel der Analyse ist es, spezifische sprachliche Merkmale der Praxisanleitungen und somit potenzielle sprachliche Herausforderungen zu identifizieren, die die berufliche Integration ausländischer Pflegekräfte zunächst erschweren können. Basierend auf den Ergebnissen des Projekts wird im Vortrag gezeigt, warum die geforderten Sprachkenntnisse des GeR-B2-Niveaus nicht immer ausreichen, um sofort sprachlich kompetent im Pflegeberuf zu agieren und die volle fachliche Kompetenz zu entfalten. Es wird schließlich an ausgewählten Textausschnitten aus dem Korpus auf Potenziale des Arbeitsplatzes Pflege als Lernort für berufsbezogenes Deutsch hingewiesen, die zeigen, dass sich die Sprachvermittlungspraxis auch im Beruf integrieren lässt „als Organisationsentwicklung, die alle Beteiligten einbezieht“ (Daase, 2021: 678).

Literatur: 

Bonin, H.; Braeseke, G. & Ganserer, A. (2015). Internationale Fachkräfterekrutierung in der deutschen Pflegebranche. Chancen und Hemmnisse aus Sicht der Einrichtungen. Bertelsmann Stiftung. 

Daase, A. (2021). Individuelle Handlungskompetenz vs. Partizipation an sozialen Praktiken – Zugang zu Mitspielfähigkeit als gesellschaftliche Verantwortung. Info DaF 2021; 48(6). 671–682.

Funk, H. & Kuhn, C. (2021). Die GER-Niveaustufen als normative Zulassungskriterien – zur Problematik des B2-Kriteriums am Beispiel der Pflegeberufe. FLuL 50 (2021), Hf. 2. 53–68. 

Pütz, R.; Kontos, M.; Larsen, C.; Rand, S.; Ruokonen-Engler, M.-K. (2019). Betriebliche Integration von Pflegefachkräften aus dem Ausland. Innenansichten zu Herausforderungen globalisierter Arbeitsmärkte. Hans Böckler Stiftung.

Der Fachkräftemangel betrifft aktuell alle Berufsfelder – so auch die Schule. Die Gewinnung migrierter Lehrkräfte für den deutschen Schuldienst liegt daher nahe. Dies gilt umso mehr angesichts einer sozio-kulturell und sprachlich immer heterogeneren Schülerschaft, für die mehrsprachige Lehrkräfte (mit Flucht/Migrationshintergrund) eine bedeutende Brücken- und Vorbildfunktion einnehmen können. Gleichwohl erleben migrierte Lehrkräfte ihre eigene Herkunft und die eigene Mehrsprachigkeit gegebenenfalls auch als Hürde. Im Rahmen des Projekts Hochschulzertifikat für Lehrkräfte mit ausländischem Abschluss und internationale Studierende (HOLA) werden die Einstellungen zugewanderter Lehrkräfte hinsichtlich ihrer künftigen Rolle an einer deutschen Schule und der Mehrsprachigkeit in Schule und Unterricht näher beleuchtet. 

Einstellungen steuern Wahrnehmung und professionsbezogenes Handeln von Lehrkräften (Bien-Miller 2019). Für deutschsprachige Lehrkräfte besteht eine breite Forschungslage zu deren Einstellungen zu Mehrsprachigkeit (z.B. Fischer/Ehmke 2019; Kaplan 2023). Bislang fehlen jedoch Erkenntnisse zu entsprechenden Einstellungen von migrierten Lehrkräften mit Deutsch als L2. Es stellt sich dabei u.a. die Frage, ob die Einstellungen dieser Gruppe sich von denen ihrer deutschsprachigen Kolleg:innen unterscheiden. 

Der Vortrag vermittelt Einblicke in Ergebnisse der Begleitforschung des Projekts HOLA. Mittels eines Fragebogens wurden Daten erhoben, deren quantitative Auswertung Hinweise auf widersprüchliche Haltungen geben. Die qualitativ-inhaltsanalytische Auswertung offener Fragen und leitfadengestützter Interviews ermöglichen differenzierte Einblicke in die Einstellungen der Zielgruppe. Die Ergebnisse zeigen, dass bei den zugewanderten Lehrkräften – wie bei ihren deutschen Kolleg:innen – grundsätzlich eine Bereitschaft zur Nutzung von Mehrsprachigkeit besteht. Demgegenüber zeichnet sich ein Bedarf an der Vermittlung von Professionswissen hinsichtlich der Nutzung von Mehrsprachigkeit sowie didaktischer Konzeptionen für sprachsensiblen Unterricht (Kniffka 2019) in sprachlich heterogenen Lerngruppen ab.Neben den Forschungsergebnissen bietet der Vortrag Einblicke in die Ausbildungsinhalte von HOLA.

Literatur: 

Fischer, N.; Ehmke, T. (2019): Empirische Erfassung eines „messy constructs“: Überzeugungen angehender Lehrkräfte zu sprachlich-kultureller Heterogenität in Schule und Unterricht. ZfE 22 (2), 411– 433. 

Kaplan, I. (2023): Einstellungen von Lehramtsstudierenden zu sprachlich-kultureller Vielfalt in der Schule - eine qualitative Studie. Münster: Waxmann.

Bien-Miller, L.; Wildemann, A.; Andonie, M.; Krzyzek, S. (2019): Handlungsrelevante Überzeugungen zu Mehrsprachigkeit und deren Bedeutung für die Professionalisierung von Lehrkräften. In: S.Eibinger, M. Akbulut und B. Bushati (Hg.): Mit Sprache Grenzen überwinden. Sprachenlernen und Wertebildung im Kontext von Flucht und Migration. Münster: Waxmann, S. 143–161.

Kniffka, G. (2019): Fachsensibler Sprachunterricht in der Erstintegration neu zugewanderterSchüler_innen. In: L. Decker und K. Schindler (Hg.): Von (Erst- und Zweit-)Spracherwerb bis zu (ein- und mehrsprachigen) Textkompetenzen. Duisburg: Gilles & Francke (KöBeS Reihe A, 13), S. 265–280.

Rahmendaten

Veranstaltungsart:

Hybride Ringvorlesung

Termine:

Sommersemester 2025,
dienstags 14:15-15:15 Uhr

Ort:

Online

Zielgruppe:

Forschende, Lehrkräfte, Studierende, Interessierte

Schulart:

alle

Teilnahmebeitrag:

kostenfrei

Organisation & Kontakt:

Benjamin Siegmund, PH Freiburg, benjamin.siegmund(atnospam)ph-freiburg.de

Veranstaltet von:

Pädagogische Hochschule Freiburg in Kooperation mit dem Netzwerk „Deutsch als Zweitsprache und Mehrsprachigkeit der lehrkräftebildenden Hochschulen und Universitäten in Baden-Württemberg“

Anmeldung:

Es ist keine Anmeldung notwendig. Die Veranstaltung findet über Zoom unter folgendem Link statt: 
https://ph-freiburg-de.zoom.us/j/65773641252?pwd=qVJ9y7M07Kb8FcFQ5gibHwMqJVF7gX.1
 

Bitte beachten Sie, dass die Zoom-Sitzung bei zwei Vorträgen (13.05. und 01.07.) voraussichtlich aufgezeichnet wird. Bitte schalten Sie Kamera und Mikrofon während der Aufzeichnung aus. Die anschließende Diskussion wird nicht aufgezeichnet. Mit Ihrer Teilnahme am Zoom-Meeting stimmen Sie dem zu. Bitte reichen Sie die unterschriebene Einwilligungserklärung (s. pdf) vor dem Vortrag bei benjamin.siegmund(atnospam)ph-freiburg.de ein