Frageformen und Stile

Die „Kunst der Frage“ – Frageformen und Fragestile

Es sind grundsätzliche Typen von Fragen zu unterscheiden:

  • Erzählaufforderungen oder –stimuli: Hierbei handelt es sich eigentlich nicht um Fragen, sondern um einleitende Worte, die ein Erzählen des Interviewten in Gang bringen sollen. Der Einstieg ist für narrative Interviews von entscheidender Bedeutung, wobei der*die Interviewende bei einer so offenen Formulierung wie „Erzählen Sie (doch/einmal), wie…“ mit Rückfragen der Erzählperson zu einer Konkretisierung rechnen muss.
  • Aufrechterhaltungsfragen bringen keine neuen inhaltlichen Impulse, sondern halten die Erzählung in Gang. Sie können unterschieden werden in Fragen, die in der erzählten Situation bleiben (z.B. „Wie war das für Sie?“ oder „Erzählen Sie doch noch ein bisschen mehr darüber.“) und solche, die den Erzählvorgang vorantreiben (z.B. „Wie ging das dann weiter?“ oder „Und dann?“). Beide Fragetypen können das Erzähltempo steuern.
  • Steuerungsfragen beeinflussen das Tempo und die inhaltliche Entwicklung des Interviews. Sie gehören entweder auch zu den Aufrechterhaltungsfragen, wenn sie bereits benannte Aspekte detaillierter aufgreifen („Können Sie…noch ein wenig ausführlicher beschreiben?“) oder sie fokussieren inhaltliche Aspekte, greifen sie heraus. Steuerungsfragen können auch neue Themen oder Aspekte einbringen, die dem*der Interviewenden wichtig sind („Spielte das…eine Rolle?“).
  • Zurückspiegeln, Paraphrase, Angebot von Deutungen: Der*die Interviewende fasst die Äußerungen der Erzählpersonen mit eigenen Worten zusammen oder ergänzt Sätze, er*sie denkt quasi mit. Dies setzt eine gute Merkfähigkeit und eine scharfe Aufmerksamkeit voraus.
  • Aufklärung von Widersprüchen, Selbstdarstellungen hinterfragen: Die Erzählpersonen werden mit Ungereimtheiten konfrontiert, hinter Selbstpräsentation verborgene Aspekte werden thematisiert.
  • Suggestivfragen bedeuten eine aktive Intervention, die ausdrücklich die Reaktion von Befragten provoziert, um diese dann weiter zu interpretieren.

Darüber hinaus lassen sich Fragen nach ihrem Gegenstand unterscheiden in Einstellungsfragen, Informations– oder Wissensfragen.

Bei sämtlichen Frageformen müssen mögliche Präsuppositionen beachtet werden: Bei Präsuppositionen handelt es sich um Voraussetzungen und Unterstellungen, die in die Fragen einfließen und als Konsens zwischen Fragendem und Zuhörenden behandelt werden. Als stillschweigende, unterschwellige Vorannahmen können Präsuppositionen das Interview in eine Richtung lenken und letztlich die Äußerungen des Interviewten einengen. Präsuppositionen lassen sich schwer vermeiden, wichtig ist, sich ihrer bewusst zu sein und ihren Einsatz zu begründen. Überhaupt ist es enorm wichtig für Interviewende, die persönlichen und professionellen Fragestile zu reflektieren und zu kontrollieren. Eine Gefahr für das Gelingen des Interviews besteht, wenn der Kommunikationsprozess unbewusst und unkontrolliert beeinflusst wird.

Um das Ziel, Offenheit herzustellen, zu erreichen, sind bestimmte Frageregeln zu beachten: Die Fragen sollten weder uneindeutig noch schwer verständlich oder überladen sein, nicht wertend oder aggressiv klingen, immer im Kontext des Themas bleiben, keine Scham- oder Schuldgefühle auslösen. Vorsicht ist geboten bei „Warum-Weshalb-Wieso“-Fragen.

Literatur:

  • Helfferich, C. (2004). Die Qualität qualitativer Daten. Manual für die Durchführung qualitativer Interviews. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.

Artikel verfasst von Bärbel Libera (2004)

Zitation:

Libera, Bärbel (2004). Frageformen und Stile. QUASUS. Qualitatives Methodenportal zur Qualitativen Sozial-, Unterrichts- und Schulforschung. URL https://www.ph-freiburg.de/quasus/was-muss-ich-wissen/daten-erheben/interviews/frageformen-und-stile.html